Zwangsgedanken loswerden

„Ich könnte durch Ungeschicklichkeit ein Regal im Supermarkt zum Einstürzen bringen“. „Vielleicht passiert es mir, dass ich jemandem meinen Kaffee ins Gesicht schütte“. „Ich habe große Angst, aus Versehen mein Baby fallenzulassen.“ „Immer wenn ich zur U-Bahn gehe, denke ich, dass ich gleich jemanden auf die Gleise stoßen werde“. „Hoffentlich habe ich vorhin niemanden überfahren!“ 

Kennen Sie solche Plagegeister? Dann wissen Sie sicher, wie schwierig es ist, damit umzugehen. Zwangsstörungen sind häufig, zwei Prozent der Gesamtbevölkerung erkranken im Laufe ihres Lebens. Sie sind also mit Ihrem Problem nicht allein. Viele betroffene Menschen schämen sich jedoch und erzählen jahrelang niemandem, wie sehr sie leiden. Weil sie denken, dass ihre Gedanken wahr werden könnten, glauben sie, ein schlechter Mensch zu sein. Sie vermeiden bestimmte Orte oder Kontakte, um nur niemandem zu schaden. Wahrscheinlich kennen Sie diesen sehr bekannten Spruch: „Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen". Etc.  Dieser Spruch trifft jedoch NICHT auf Zwangsgedanken zu. 
Zwangsgedanken haben ihre Ursache NICHT in einem aggressiven oder obszönen Charakter. Die Ursache von Zwängen liegt meist in Ängsten begründet sowie einem zu starken Verantwortungsgefühl. Schlagen Sie sich also bitte aus dem Kopf, dass Sie unbewusst das tun wollen, was Ihre Zwangsgedanken Ihnen mitteilen. Das Gegenteil ist meist der Fall.
Bei dem Auftreten von Zwangsgedanken sprechen wir auch von Intrusionen. Das heißt, dass plötzlich auftauchende Gedanken und Bilder Stress auslösen. Diese Form der Intrusion unterscheidet sich jedoch von Symptomen einer Posttraumatischen Belastungsstörung. 

Was passiert im Gehirn bei einer Zwangserkrankung? 

Sehr verkürzt (1):
Neurobiologisch kann man Zwangserkrankungen so erklären, dass ein „Fehlernachweisregler“ im Gehirn überaktiviert ist, so dass es zu einer chronischen „Falscher-Alarm-Meldung“ kommt. Und weil das limbische System einbezogen ist, löst dieser falsche Alarm Angst aus. Normalerweise beruhigen wir uns recht schnell, nachdem wir erschrocken sind. Menschen, die unter Zwängen leiden, können sich meist nicht so schnell beruhigen, auch wenn ihr Gehirn eine ungefährliche Situation falsch eingeschätzt hat.  
Die gute Nachricht ist, dass wir unsere Gehirne wieder umprogrammieren können, so lange wir leben. Ich möchte Sie ermutigen, Ihre Zwangssymptomatik in Angriff zu nehmen, um langfristig wieder innerlich und äußerlich frei und leicht zu werden. Ich arbeite gestalt- und verhaltenstherapeutisch. Es geht mir in der Therapie natürlich darum, Ihnen zu helfen, die Zwänge loszuwerden. Außerdem ist es allerdings extrem wichtig, freundlich gegenüber den eigenen Ängsten zu werden, diese kennenzulernen, zu beruhigen und positive Gefühle zu kultivieren. Es kann außerdem sehr hilfreich sein, die mentalen Bilder (Intrusionen) zu untersuchen und zu verändern. Näheres erkläre ich Ihnen gerne auf Nachfrage. 

Ein paar Tipps für den Anfang:
1. Akzeptieren Sie, dass es im Moment so ist, wie es ist. Sie haben Zwangsgedanken oder evtl. auch andere Zwänge. Das ist sehr belastend. Es gibt aber Hilfen und Sie können das schaffen. 
2. Verzichten Sie darauf, diese Gedanken verdrängen oder stoppen zu wollen, das funktioniert nicht. Auch Ablenkung hilft nicht.
3. Denken Sie nicht über die Inhalte Ihrer Gedanken nach, sagen Sie sich lediglich: Dies ist ein Zwangsgedanke!
4. Suchen Sie sich Hilfe! Medikamente, konkret: Antidepressiva (Serotoninwiederaufnahmehemmer) helfen meist sehr gut, die Zwangssymptome zu mildern. Fragen Sie Ihren Hausarzt bzw. Ihre Hausärztin oder Ihre Psychiater*in. Wichtig ist aber gleichzeitig auch eine Psychotherapie, da sonst bei Absetzen des Medikaments die Zwänge meist wiederkommen.
5. Sagen Sie Ihren Zwängen den Kampf an, indem Sie Ihre wahren, echten, menschlichen Gefühle kultivieren – Ihr Mitgefühl, Ihre Freude, Freundschaft, Hobbys. Machen Sie systematisch Entspannungsübungen und üben Sie, Ihre Seele baumeln zu lassen. Weihen Sie Mitmenschen in Ihr Problem ein und bitten Sie um Solidarität. 


(1)  Aus: Susanne Fricke et al., Verhaltenstherapie bei Zwangsstörungen, URBAN & FISCHER 2006
Fotos: Pexels.com

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